Es gibt Titel, die sich von selber schreiben – und dann sogar zu meiner eigenen Überraschung überdurchschnittlich gut ankommen. Wie dieser hier.
Am Mittwoch hatte ich die Aufgabe, den Titel für die taz zu machen. Die erste Ausgabe hatte wie immer einen Redaktionsschluss um 17 Uhr. Das letzte Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland aber begann erst um 16 Uhr. Damit war klar: eine #tazeins mit dem Ergebnis ist nicht drinc – auch wenn am nächstenTag alles über das Fußballspiel reden werden.
Das andere große Thema: der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag, bei dem es um die Flüchtlingspolitik geht – und indirekt um den Bestand der Bundesregierung.
Zunächst hatte ich die Idee, das EU-Thema irgendwie auf eine Zeile zu komprimieren, die etwas mit Fußballsprache zu tun hat. „Europa vor dem Ausscheiden“ zum Beispiel. Da aber zum Zeitpunkt des Erscheinens die Frage des „Ausscheidens/Weiterkommens“ zumindest im Fußball geklärt sein würde, fand ich das selber nicht so gut.
Also habe ich versucht die Gemengelage zu fassen – und ein paar Fußballmetaphern dafür genutzt und das alles einfach mal in einem Worddokument runtergeschrieben, ein paar Keywords gefettet und das Ganze der Titelkonferenz am Mittag vorgelegt:
Grundsätzlich ist das natürlich viel zu lang für eine Zeile. Aber bei der taz geht ja manchmal doch mehr als man denkt.
Jedenfalls gab es nur freundliches Nicken und keinerlei Widerspruch bei der Titelrunde, von der Fotoredaktion und auch nicht vom Layout. Im Gegenteil, die haben gleich mal die ganze Seite frei geräumt – und ging dann so für die Frühausgabe auch in Druck.
Nach dem Abpfiff des Spiel Deutschland gegen Südkorea habe ich dann nur noch minimal das Ende der Zeile angepasst:
Auf Twitter kam die Seite extrem gut an.
Zum Beispiel bei Udo Röbel, Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt, der Kolumnistin Jagoda Marinic, der rbb-Kollegin Iris Marx, dem französischen Berlin-Korrespondenten Pascal Thibaut und vielen mehr.
Die Medienplattform Meedia schrieb:
„Mit ihrer heutigen Titelseite gelingt der taz wohl so etwas wie die Cover-Entsprechung eines perfekten Fußball-Spielzuges. Diese erste Seite kann sich wohl selbst so manch eine Agentur ins Büro hängen, so gut ist sie. Die Berliner verbinden in einem Text die beiden großen Themen des Tages: den EU-Gipfel und das Ausscheiden der DFB-Elf in der Vorrunde der WM in Russland. Im Gegensatz zu allen anderen Tageszeitungen braucht die taz für ihren Titel zur Niederlage der Nationalmannschaft keine Bilder vom Desaster oder lustige Fotomontagen. Die Berliner setzen voll auf Typo. Die über lange Überschrift ist schlicht brillant getextetes Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei.“
Und ich muss zugeben, ich wurde rot bei so viel Bauchpinselei. Und ja, ich fühle mich geehrt.