Nach lange Zeit habe ich am Sonntag mal wieder als verantwortlicher Redakteur die Titelseite der taz produziert. Recht schnell war klar, dass es nur ein Thema dafür gibt: der überraschende Vormarsch der ukrainischen Truppen im Osten des Landes. Und recht schnell hatte ich auch schon eine Zeile im Kopf: „Im Osten was Neues“.
Sie beruht natürlich auf dem mittlerweile auch schon fast 100 Jahre alt Klassiker des Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. 1928 wurde er erstmal veröffentlicht, seither mehrfach verfilmt. Die jüngste Version für den Streamingdienst Netflix ist der deutsche Kandidat für die nächste Oscar-Verleihung. Beim Internationalen Filmfestival im kanadischen Toronto hat er seine Welturaufführung – am Montag.
Das Thema des Romans ist leider mehr als aktuell. Remarque beschrieb aus der Sicht eines deutschen Soldaten die Schrecken des Ersten Weltkriegs. An der Westfront bewegte sich seit langem fast nichts mehr, Deutsche und Franzosen wurden in den Schützengräben zerrieben. Auch der Hauptprotagonist kommt schließlich ums Leben – „an einem Tag, der so ruhig und so still war, daß der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden“, wie es bei Remarque heißt.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hatte sich in den letzten Wochen zu einem ähnlichen Stellungskrieg entwickelt, in dem keine der beiden Seiten voran kam. Doch nun haben ukrainische Truppen in den letzten Tagen vor allem im Nordosten des Landes lange besetzte Gebiete befreit. Die russische Armee ist dort auf dem Rückzug. Es gibt also tatsächlich „Im Osten was Neues“ – und deshalb haben wir das auch als Titelzeile für die Montagsausgabe gewählt.